#15 Michael Wollny

Michael Wollny - Foto: Anna Meuer

Michael Woll­ny — Foto: Anna Meuer

Erst war er “Senkrecht­starter”, dann ein “Komet der Szene”, dann “deutsches Jazz-Wun­der”. Dann wurde sein Spiel als “großer europäis­ch­er Jazz” gelobt, anschließend als “Weltk­lasse”, und neulich haben sie ein Konz­ert von ihm mit dem “Köln Con­cert” von Kei­th Jar­rett ver­glichen. Das ist kurz vor der Ewigkeit. Der Mann ist knapp über 30. Und ziem­lich unbeein­druckt:

Es bringt nicht viel, Vorschus­s­lor­beeren anzuhäufen”, sagt er, “es geht doch immer nur um den Moment, in dem man spielt.”

Von allen Seit­en wird er dafür beglückt bestaunt, von Klas­sik-Fre­un­den, Jazz-Enthu­si­as­ten, der Indie-Szene: “Für mich”, sagt er, “war Klavier­spie­len immer schon bei­des, Impro­vi­sa­tion und Mozart spie­len.” Woll­ny ist mit Bach und Björk zusam­men aufgewach­sen, mit Schu­bert und Kei­th Jar­rett, mit Ligeti und Mes­si­aen. Er schöpft seine Musik aus der Tra­di­tion wie aus der Gegen­wart, aus der Tonal­ität wie aus dem Klang, dem repet­i­tiv­en Geräusch. Die Gen­res, sagt der Neu-Berlin­er, “wer­den immer offen­er: Jazz, Alter­na­tive, Inde­pen­dent durch­drin­gen sich immer mehr.” Und dann wieder so ein Satz:

Das Schöne ist, dass man als Musik­er jeden Abend von Null begin­nt.”

Null heißt bei ihm: dass er dem ersten Stück, das er spielt, den Namen der Stadt gibt, in der er spielt. Er wird sich an den Flügel set­zen, und dann wird sich hören lassen, wie Bochum neu geschaf­fen wird. Wie eine Stadt gespielt und neu gehört wer­den kann. “Nichts ist sich­er bei einem Solokonz­ert von Michael Woll­ny“, schrieb der Kri­tik­er der WELT.

Nichts ist vorgegeben, ohne sich verän­dern zu kön­nen. Woll­ny kann Stim­mungen schaf­fen wie kein ander­er. Stim­mungen, von denen man nicht wusste, dass man sie empfind­en kön­nte. Er kann durch die Tas­ten pflü­gen, dass man nicht nachkommt mit dem Hören, und er kann eben­so  —  das ist die Größe sein­er Kun­st  —  Pausen kreieren, die so voll sind mit Musik, dass er sel­ber in die Pause gehen kön­nte, man säße immer noch da und hörte dem zu, was er nicht spielt.

Er set­zt nicht auf Geschwindigkeit und aggres­sive Ver­track­theit, er set­zt die Stille in ihr Recht. Das vor allem sind dann die Momente, in denen die eigene Fan­tasie ins Spiel ein­steigt und Woll­ny Fan­tasien fol­gt. “Hex­en­tanz”, seine erste Solo-CD, hat­te Woll­ny einge­spielt, nach­dem er sich auf die Nebel-Insel Got­land zurück­ge­zo­gen hat­te, wo er zusam­men mit Franz Schu­bert, Steve Reich und Björk gelebt hat, mit Edgar Allen Poe, Ken Rus­sell und David Lynch. Das Ergeb­nis: eine dun­kle, warme Roman­tik, durch­scheinende Fan­tasien, eine leise und gefährliche Stim­mung, die sich bek­lem­mend weit­en und schroff umschla­gen kann. “Goth­ic Music”, nen­nt er es ver­schmitzt und spielt auf die Goth­ic Nov­el an, auf Franken­stein & Co. Er spielt mit den Gen­res und ihren Klis­chees, er ver­al­bert sie nie, er nimmt das Spie­len ernst.

Das ist der Grund, warum sich Woll­nys Musik wie ein Hör­buch hören lässt. Dass man das Gefühl hat, man werde hinein geschoben in eine Welt, die eine “Wun­derkam­mer” ist  —  so der Titel der großar­ti­gen CD, die er mit der israelis­chen Cem­bal­istin Tamar Halperin einge-spielt hat.

Woll­nys Wun­derkam­mer in Bochum wird der urban urtyp Kubus sein. Der Raum im Raum, der immer eigens aufge­baut wird: Der Flügel in der Mitte, die Hör­er dicht um ihn herum. So wie bei Hausch­ka, hier die Fotos. Dass auch Woll­ny, der hochsub­ven­tion­ierte Häuser füllt, als urban urtyp nach Bochum kommt, hat übri­gens damit zu tun, dass ihm im Mai 2010 in Bochum der ECHO Jazz ver­liehen wurde und er sich zuvor mit Céline Rudolph  —  auch sie als ECHO-Jazz-Preisträgerin geehrt und mehrfach in der Chris­tuskirche zu Gast gewe­sen  —  eben hier verabre­det hat­te, um Gröne­mey­ers “Men­sch” einzus­tudieren.

Ihre Inter­pre­ta­tion des Mon­u­men­tal­songs (u.a. mit Fred­erik Köster, auch so ein urban urtyp in spe) schloss die TV-Aufze­ich­nung der Preisver­lei­hung ab: Auf der Seite www.ruhr-essentials.de find­et sich eine exk­lu­sive Fil­maufze­ich­nung von Woll­ny & Céline mit Gröne­mey­ers “Men­sch” am Flügel im Altar­raum …

… und als wir Woll­ny während der Aufze­ich­nung fragten, ob er eben hier als urban urtyp spie­len wolle, sagte er ohne Zögern zu. Er ist dieser sel­tene Typ von Musik­er, der sein Pub­likum find­en und nicht vorfind­en will.

» 29. Jan­u­ar  —  wie immer son­ntags, wie immer 19 Uhr, wie immer 10 Euro
» Tick­ets hier
» urban-urtyp Postkarte zum Ver­mailen [pdf]
» Was die RN dazu meinen: 2012-01-18 rn Flo­ri­anKuehlem