#27 Valery Gore und die Geschmacksverstärkerei

Valery Gore

Valery Gore

Was hören Leute, die wir hören? FINGER ist ein kleines Mag­a­zin, das danach fragt  —  Which song do you lis­ten to when  -  und auch Valery Gore befragt hat … lis­ten to when you wake up? Antwort: Jesus Is A Rochdale Girl von Elbow. … when you dri­ve a car late at night? Last Good Day Of The Year von Cousteau  … you sit in a plane? Heaven’s on Fire von The Radio Dept. Und hier, wie Oli diesen Geschmack ver­stärkt:

»  Irgend­wann in einem Jahr kommt der Zeit­punkt, da merkt man, es wieder­holen sich all die Momente aus all’ den anderen Jahren.  Es gibt Men­schen, die hören dann auch immer wieder die gle­ichen Songs, um die alte Zeit zu ver­ab­schieden oder auch um die neue Sai­son zu eröff­nen. An einem solchen Punkt geht in der Jahreszeit meis­tens Etwas zu Ende und Etwas begin­nt.

Den Meis­ten bleiben die schlecht­en Momente in Erin­nerung. Lehrer, nach Jahren wieder getrof­fen, erin­nern sich an Klassen­fahrten mit Ein­brüchen in Freibäder zum Nachtschwim­men oder gar an Exzesse von mar­o­dieren­den Schülern im Unter­richt. Um wie viel bere­ich­ern­der ist es dann aber, die guten Momente zu erin­nern, vielle­icht sog­ar den let­zten guten Tag eines Jahres? Er bringt uns durch die darauf fol­gende Jahreszeit, die häu­fig der Win­ter ist. Der let­zte gute Tag im ide­alen Jahr ist ein warmer Herb­st­tag. Die Son­nen­strahlen find­en noch die im Wind flat­tern­den Haare. Wir sind im Auto und hören dem Radio zu. Der Son­nenun­ter­gang bildet einen Zaun aus dem Wald links von uns. Wir fahren nach Nor­den. Quer durch einen ganzen Kon­ti­nent von Dal­las nach Toron­to, zwei Städte an den Eck­punk­ten der Tour. Städte, die sich auch durch die Leere dazwis­chen definieren lassen. Ohne das Fehlen von Stadt sind sie keine Städte, haben keine Stadt­gren­ze, keinen Anfang und kein Ende. Der Men­sch braucht solche Gren­zen. Ohne Gren­zen wird er maß­los.

Die Fahrt geht über viele Gren­zen hin­weg. Irgend­wann wird es dunkel und der Regen fällt. Er ist nicht zu bemerken und das ist das Beste daran. Wir sind so frei, nicht an das Feuer­w­erk im tex­anis­chen Him­mel zu denken, an die Herb­st- und Win­ter­stürme, die da kom­men wer­den. Wir stellen uns vor, wie das ist, wenn man anstatt im Auto in einem Flugzeug sitzt und der Him­mel bren­nt von dem ganzen Gewit­ter um einen herum. Wir sind uns eigentlich ganz sich­er, dass uns nichts passieren wird, schließlich ist das mit dem bren­nen­den Him­mel immer ein Event in dieser Jahreszeit. Die Fahrt wird zu einem Flug. Die Regen­tropfen fall­en auf das Cock­pit und sie erin­nern Dich daran, wie es war als Du als junger Men­sch durch den Regen getanzt bist.

Der Regen ist im Herb­st und Win­ter am schlimm­sten.  Wir kom­men in Toron­to an, in der Stadt, in der sich auch die Arien sog­ar wieder­holen, in immer leicht ver­schiede­nen Vari­a­tio­nen des ewig Gle­ichen. Inter­pre­ta­tion von Geschichte, das ist es, was uns die Reise lehrt. Stadt ist ein Ort in ein­er Geschichte. «

Paul Weller | Above The Clouds
Cousteau |  The Last Good Day Of The Year
Texas Light­ning | Rain­drops Are Falling On My Head
The Radio Dept. | Heaven’s On Fire
Glen Gould |  A State Of Won­der – Bach (JS): Gold­berg Vari­a­tions, BWV 988 — Aria Da Capo
Valery Gore | CBC

Folge 4  der Geschmacksver­stärk­erei: From Town To Town