Brandt Brauer Frick


 
urban urtyp edi­tion // fre­itag 10.3. Klas­sis­che Musik, dachte man, sei zugeknöpft, alle Knöpfe perl­mutt-belegt, das Leben durch­lit­ten. Während Tech­no schweißtreibend sei, die Kör­p­er ent­blößt, das Leben ein Rausch. Dann kamen BBF, seit­dem ist Tech­no Klas­sik und die Klas­sik berauscht. Brandt Brauer Frick. “Klingt wie eine Anwalt­skan­zlei”, sagen sie sel­ber. Und wer­fen sich in Anzüge, warum? “Aus unser­er Affinität zu Kraftwerk”, sagen sie, “musikalisch sind wir eigentlich genau das Gegen­teil, aber vom Look her fan­den wir sie ziem­lich inter­es­sant, ihre über­triebene Ern­sthaftigkeit.”

Als drei sind klas­sisch vorge­bildet, Paul Frick beispiel­sweise hat 8 Jahre Kom­po­si­tion studiert, 2008 legten sie als Gruppe los, „wir woll­ten unbe­d­ingt Tanz­musik machen“. Tanz­musik? Rave! Im Berghain, wo son­st, und dort, alle Kör­p­er out of con­trol, bogen sie der Tech­no-Gemeinde bei, was es mit diesem Kör­p­er auf sich hat, dem eige­nen: dass er nicht nur dazu taugt, sich von Musik bewe­gen zu lassen, son­dern eben­so, sel­ber Musik zu machen. Dass sich Tech­no auf klas­sis­che Weise erzeu­gen lässt, indem man Instru­mente spielt, die man höch­st­selb­st beat­men und befühlen muss …

So geri­et der kör­pergemachte Dance­floor-Sound von BBF ins Ohr der Welt, immer am Schnittpunkt von Elec­tron­ic und Dance, Min­i­mal und Tech­no. An diesem Schnittpunkt haben sie ihre eigene Brud­er­schaft geschlossen: “Bei so einem Namen wie Brandt­Brauer­Frick wussten wir alle, dass kein­er so ein­fach aussteigen kann …”

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Daniel Brandt, Jan Brauer, Paul Frick. Heute eine Insti­tu­tion, zu der sind sie gewor­den, weil sie die eine entschei­dende Idee ver­fol­gen: „dass Men­schen Musik spie­len kön­nten wie Maschi­nen, aber doch die Seele von Instru­menten in sich tra­gen, die über Jahrhun­derte entwick­elt wur­den”. Die Ahnen dieser Idee: Philip Glass, vor allem aber Steve Reich, die bei­den Großmeis­ter der Min­i­mal Art. Daniel Brandt erzählt, wie sie „18 Musi­cians“ von Steve Reich gehört haben, „wir waren alle dabei, als dieses Stück vom Ensem­ble Mod­ern und Steve Reich in der Köl­ner Phil­har­monie live gespielt wurde, das war vor unser­er allerersten Auf­nahme­ses­sion. Diese Schnittstelle zwis­chen Min­i­mal Music und elek­tro­n­is­ch­er Tanz­musik war für uns von Beginn an wichtig. Und die Ein­flüsse aus der Neuen Musik, die Frage, wie man Instru­mente anders ein­set­zt, um einen bes­timmten, einen ungewöhn­lichen Sound zu erre­ichen, das war immer entschei­dend für uns.”

Multi Faith Prayer Room

Kurz­er Blick in eine phan­tastis­che Kar­riere: Mit ihrem ersten Album „You Make Me Real“ machen BBF ihre Idee weltweit bekan­nt, von ihrem Video zu „Bob“ etwa  —  alle drei treten sie darin zugeknöpft auf bis oben­hin  —  zeigte sich Kanye West schw­er begeis­tert. Es fol­gen Live-Auftritte auf den wirk­lich großen Fes­ti­vals wie Coachel­la und Mutek, und sie begin­nen, ihre Musik für ein 10köpfiges Ensem­ble zu arrang­ieren mit Geigen und Harfe und Klavier  —  es bleibt noch immer Tech­no, klas­sisch inspiri­ert.

Sie exper­i­men­tieren weit­er, arbeit­en sich an den Post­punk her­an und ua mit Gudrun Gut zusam­men, arbeit­en sich in die The­ater- und Medi­en­welt hinein, inte­gri­eren Kraut- und Wave-Ele­mente in ihre Musik, kehren 2019 mit „Echo“  —  live bei urban urtyp in der Chris­tuskirche!  —  in den Club­sound zurück. Und wenn man jet­zt noch all die Solo- und anderen Pro­jek­te aufzählt, die sie ver­fol­gen  —  Paul beispiel­sweise ist 2020 bei Tan­ger­ine Dream eingestiegen  — , gewin­nt man eine Vorstel­lung von dem, was alles sich aus ein­er ein­samen Idee her­aus entwick­elt hat:

dass Maschi­nen  —  durch uns Men­schen hin­durch  —  beseelt wer­den kön­nen, weil Men­schen  —  durch die Maschi­nen hin­durch  —  eine Seele in sich ent­deck­en, die sie mit anderen teilen kön­nen. 

Dann kam Coro­na. Und jet­zt, eine Ewigkeit später, muss man sich schon lange zurück erin­nern an eine Zeit, „in der es ein echt­es Aben­teuer war, in einen Club zu gehen, die ver­rück­testen Leute zu tre­f­fen und ver­rück­te Live-Shows in ver­schwitzten, dun­klen Räu­men zu sehen“, sagt Jan. „Jed­er hat es total genossen! Vielle­icht ist es nie wirk­lich passiert, aber wir woll­ten unbe­d­ingt wieder Musik machen, die auf diesem beson­deren Gefühl auf­baut.”

Der Erfahrung, dass es etwas gibt, das alle einan­der verbindet, es ist das Rave-Gefühl. Der Rhyth­mus, der alle ergreift außer ein paar, die sich erbit­tert dage­gen wehren. Und aus­gerech­net diesen paar sollte Coro­na zum Tri­umph jet­zt ver­holfen haben? Undenkbar:

Schon vor der Pan­demie haben wir uns gefragt: Wo kön­nen wir uns noch tre­f­fen, aus­tauschen, zusam­men­leben, ‘leben’? Welche Verbindun­gen sind in ein­er indi­vid­u­al­is­tis­chen Gesellschaft möglich? Wie muss eine Ver­anstal­tung oder eine Sit­u­a­tion beschaf­fen sein, damit jed­er teil­nehmen kann und respek­tiert wird? Wie kann Musik einen solchen Raum ermöglichen?“

Große Fra­gen. Anders aber wird der Club, der Konz­ert­saal, die Kirche, wird der Kul­turbe­trieb ins­ge­samt nicht wieder auf die Beine zu brin­gen sein und die Beine nicht auf den Dance­floor: „Es gibt ein Ver­mächt­nis an großen musikalis­chen Antworten”, sagt BBF, “wir müssen immer weit­er nach neuen Antworten suchen.“

Step EP” wird im Herb­st veröf­fentlicht, ihre Musik geht wieder dahin zurück, wo das Gefühl seinen Ursprung hat­te, zurück in die Erfahrung des Clubs. Im Win­ter dann fol­gt ihr neues, ein konzep­tionelles Album, sein Titel: “Mul­ti Faith Prayer Room”.

Wenn das nicht hier­her gehört, Kubus frei für Brandt­Brauer­Frick!

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FOTO BBF 2021 by Anto­nio Pedro_Megan-Cour­tis