#80 Kai Schumacher


 
Wenn es etwas gibt, das nichts zu tun hat mit ihm und sein­er Musik, dann ist es „Crossover”, ein Wort, das sug­geriert, irgend­was meets irgend­was. Bei Kai Schu­mach­er trifft nichts auf nichts, weil immer schon alles da ist. Je ver­schieden­er, umso ver­trauter. Klas­sik ist da, er hat klas­sis­ches Klavier an der Folk­wang studiert, Punk ist da und Pop und Min­i­mal Art, Dadais­mus und Duis­burg, Dance­floor und Kinder­lied, Avant­garde und Atari Teenage Riot. Hier ste­ht Schu­berts Franz im Raum, dort Cobains Kurt, man assozi­iert ohne Ende und unangestrengt, wenn man ihm zuhört, er spielt Solop­i­ano.

Ohne elek­tro­n­is­che Zugaben, keine Over­dubs, keine Loops, keine Drum-Machine, und falls doch ein­mal Strom ins Spiel kom­men sollte, war auch der schon immer da, Kai arbeit­et mit dem Flügel so, dass der ganz ohne Strom — hochak­tuelles The­ma — wie ein Syn­the­siz­er klingt, in Kais Worten:

Ich baue mir ver­schiedene Zonen mit Bass-Sounds, mit Per­cus­sion-Sounds, mit Flächen-Sounds und bedi­ene den Flügel auch ein biss­chen wie einen Ana­log-Syn­the­siz­er und ver­suche dann, den Spir­it der elek­tro­n­is­chen Musik, die Energie, die darin steckt, ganz ohne elek­tro­n­is­che Hil­f­s­mit­tel auf die Bühne zu brin­gen.”

Die einen hal­ten ihn für den bad boy of clas­sic, fast so, als entza­ubere er den gestirn­ten Him­mel über mir und nicht nur den ges­timmten Flügel im Konz­ert­saal. Andere sprechen von melt­ing pot, als rühre er im Klavier herum wie Mira­c­ulix im Kessel, wieder andere erin­nern sich an Alchemie, als beschwöre er magis­che Dämpfe und Dün­ste. Er tut dies alles nicht, alles liegt offen auf dem Tisch, die Tas­tatur, die er bespielt, ist dieselbe wie eh und je. Das Geheimnisvolle an dieser Musik ist, das sie keinen Moment so tut, als berge sie ein Geheim­nis, ihre Nüchtern­heit ist frap­pant, sie ist es, die einen anspringt und ver­rät­selt, sein jüng­stes Solo-Album heißt „Rausch”.

Der Rausch beste­ht aus eige­nen Kom­po­si­tio­nen, inspiri­ert, sagt er, von der klas­sis­chen Min­i­mal Music, von Philip Glass und Steve Reich und Ter­ry Riley, eben­so von der Amerikanis­chen Avant­garde, also John Cage, George Crumb, aber, sagt Kai, „ich bin auch so eine kleine Pop-Sau, ich hab eine Affinität zu präg­nan­ten, kurzen Tracks …”

So klingt die Stadt. Alles ist da und drin­nen, alles ist in- und mit- und übere­inan­der, alles ist solo und beflügelt. urban urtyp eben.